Heinrich war ein schmächtiges Kerlchen. Vermutlich konnte er von jeher nicht mit den kräftigen Burschen im Schaustellerbereich noch nie mithalten. Zum Überleben spielte er mehr vor als er jemals gewesen war. Aufschneiderei gehörte mit zu seinem Leben. So wie Heinrich einerseits angeben konnte, knickte er gegenüber Obrigkeiten und Behörden ein und duckte sich weg. In der einen Stunde konnte Heinrich den erfolgreichen Vertreter spielen und in der nächsten Stunde buckelte er schleimig vor einem Vorgesetzten. Allerdings wer ihn als arm bezeichnet hätte, würde einen jähzornigen Zwerg erleben, der einen Veitstanz aufgeführt hätte. Doch objektiv war Heinrich arm, denn er konnte sich nicht einmal eine Wohnung leisten und kroch hin und wieder bei den Schaustellern unter. Ab und zu bekam er die Wohnung von Drückerkollonen gestellt für die er zum Scheine schreiben durch die Häuser geschickt wurde. Wenn er für die Gewerkschaft der Polizei Anzeigen verkaufte, kam sich Heinrich groß vor. Er bildete sich ein dadurch Polizist zu sein. Diese Einkunft verlor er als er sich gegenüber Mädchen im öffentlichen Nahverkehr mit seinem Dienstausweis des Verlages als Polizist ausgab. Das gab selbstverständlich Ärger und da half auch Duckmäusertum gegenüber dem Verkaufsleiter nichts. Frauen können auf den Strich gehen aber zum Gigollo langte es bei Heinrich nicht. So schmierig er auch teilweise war, war er nicht attraktiv genug dazu. Nichts desto trotz konnte er an der Haustür schamlos lügen, was das Zeug hält. Was die Drückerkollone halt gerade vorgab. An dem einen Tag war er der Mitarbeiter von Burda oder sonst einem Zeitschriftenverlag. An einem anderen Tag Mitarbeiter des Roten Kreuz oder der Johanniter. Er konnte genauso gut den Umweltschützer für Greenpeace für die Mitgliederwerbung spielen. Es war Heinrich egal. Wichtig war einzig alleine wichtig war für den Kollonenchef keine Schläge zu bekommen und genügend Scheine abzuliefern. Jeder Schein bedeutete sofort bares Geld für ihn. Heinrich war allerding nicht Helle genug um zu verstehen, dass jedes Storno einer Mitgliederwerbung Schulden beim Drückerboss machte. Das Geld hatte Heinrich dann schon am Spielautomaten verspielt und so entstand der Druck noch mehr Scheine schreiben zu müssen. Als Sicherheit für seine Schulden zog den Zuhälter dieser Drückerkollonen seinen Personalausweis ein. Eigentlich ist Heinrich ein Sklave. Heinrich ist ein von der Gesellschaft geduldeter Sklave. Schliesslich bediente sich auch die Gewerkschaft der Polizei solcher Sklaven. Die Gesellschaft will da gar nicht so genau hinschauen. Schliesslich ist Heinrich noch unsichtbarer als ein Obdachloser, der das Strassenbild stört. Heinrich hat auch keine Lobby wie sie möglicherweise weibliche Sklaven in der Prostitution haben. Wobei auch dort viel weggeschaut wird. Die Strukturen sind ähnlich. Menschen werden in Abhängigkeit gehalten. Doch Heinrich wird ja nicht sexuell missbraucht. Der Missbrauch erfolgt nur psychisch. Heinrich redet sich die Welt schön. Niemand würde Heinrich sehen wie die Welt eines Heinrich wirklich ist. Dazu ist Heinrich zu stolz. Denn wer ihn als arm bezeichnen würde, der würde eher seinen Zorn zu spüren kommen, welches aber auch nur ein Ausdruck des Drucks von oben wäre. Das ist die Armutshölle.
Die Geschichte von Heinrich ist nicht erfunden und ich konnte Heinrich nicht helfen. Ich kann mir ja noch nicht einmal selbst helfen. Meine Hölle ist eine andere, aber ich dachte mir, ich schreibe die Geschichte von Heinrich hier mal auf. Es sind Geschichten, die nie erzählt werden, weil diese Menschen keinen Einblick gewähren. Denn Armut wird nicht laut vor sich hergetragen. Die kapitalistische Gesellschaft missbraucht die Armen nicht mehr körperlich wie vor 200 Jahren. Die Methoden sind perfider und subtiler geworden. Die Armen werden aber missbraucht.